Corona-Zeiten

20.03.20, 11:05
Daniela Ballhaus

Geistliches Wort zum Wochenende 21./22. März

Liebe Gemeinde,

heute (Donnerstag) vor einer Woche haben wir zuhause noch gewitzelt über eine mögliche Schulschließung, haben sie aber – zur Enttäuschung unserer Kinder – in NRW für noch nicht so wahrscheinlich gehalten. Heute vor einer Woche haben wir in der Kolpingfamilie noch überlegt, ob und wie wir unsere Planungen für den Soli-Lauf Ende März anpassen müssen oder ob alles so laufen kann wie immer. Heute vor einer Woche habe ich geschmunzelt über die Vorstellung, in den Gottesdiensten Listen mit Kontaktdaten auszulegen. 

Heute stehe ich, stehen wir vor und in einer völlig veränderten Welt. 

Die Kinder finden die per Email eintrudelnden Aufgaben noch spannend. Der Soli-Lauf ist abgesagt – natürlich -, aber ich frage mich, wie das Hilfswerk Misereor zurechtkommen wird und wie in diesem Jahr ohne die große Misereorkollekte am fünften Fastensonntag die vielen lebensrettenden Projekte in der ganzen Welt am Laufen gehalten werden sollen. Kontaktlisten für Gottesdienste brauchen wir nicht mehr – denn wir können keinen Gottesdienst mehr feiern. 

Das trifft mich, berührt mich, lässt mich ratlos und unruhig sein. Ich betrachte es mal als gutes Zeichen, dass das so ist – so weiß ich nun sicher, dass der Gottesdienst nicht nur eine Gewohnheit, eine Routine für mich war, sondern ich merke, dass mir wirklich etwas fehlt.  Ich habe in der vergangenen Woche einige von Ihnen getroffen – natürlich mit dem gebotenen Sicherheitsabstand – und deshalb weiß ich, dass es vielen von Ihnen genauso geht. 

Diese Situation erinnert mich an die Zeit zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten. 


Ich stelle mir vor, dass damals die Jünger  ähnliches fühlten wie wir im Moment angesichts der vielen Maßnahmen zu Eindämmung der Virusverbreitung. Sie hatten eine  ziemlich ereignisreiche und verwirrende Zeit hinter sich: Verhaftung und Tod ihres Freundes Jesus, tiefe Trauer, dann rätselhafte Begegnungen mit ihm als dem Auferstandenen und dann doch wieder Abschiednehmen, als er vor ihren Augen in den Himmel aufgenommen wurde.

Das emotionale Hin und Her, das „Dazwischen“ – das Warten, das Getrenntsein, die Sehnsucht – das ist gerade ganz real in unserem Leben.  Viele Beziehungen, die eigentlich wichtig für uns sind, liegen im Moment auf Eis – wir können Oma und Opa nicht besuchen, der ein oder andere ist inzwischen tatsächlich in freiwilliger oder auferlegter Quarantäne, wer in einer Senioreneinrichtung lebt oder gerade im Krankenhaus ist, kann nicht mehr oder deutlich seltener besucht werden. Einsamkeit und das Gefühl des Verlassenseins ist leider sehr verbunden mit dem Gebot des „Social distancing“, selbst wenn das eigentlich nur die körperliche Distanzierung bedeuten soll und nicht die emotionale. Aber wir sind nun mal ganzheitliche Wesen,  wir brauchen mehr als Worte, mehr als Geräusche, mehr als Bilder. Deshalb fehlt uns viel in dieser Zeit – eben genau so wie den Jüngern. Und genau wie für sie ist diese neue Situation auch für uns schmerzhaft. 

Im Kirchenjahr folgt schon nach zehn Tagen das Pfingstfest. Der Heilige Geist, der Tröster, wird den Menschen geschenkt und er tut genau das – er tröstet. Auch wenn wir jetzt noch mitten in dieser  ganz besonderen Fastenzeit stecken, kann uns doch der Gedanke an Pfingsten trösten: der Heilige Geist ist auch uns längst zugesagt, er ist schon da – wenn wir in unserer Sorge einen Moment innehalten, um ihn zu spüren.  Es gibt Momente des Trostes und der Hoffnung auch in diesen Tagen. Ein unverhoffter Anruf. Eine Kontaktaufnahme per Email, Whatsapp oder Brief, ein Gruß beim Spazierengehen von einem völlig fremden Menschen, der aber in genau der gleichen Situation steckt. Die (plötzliche) Überzeugung, dass da mehr ist, als ich mit den Augen sehen kann, dass da Bewegung ist, geschenkte Zuversicht, ja, Glücksmomente.

Von beidem etwas finde ich in dem Lied „Ist da jemand“ von Adel Tawil. Ich verspreche Ihnen einen Ohrwurm. Aber einen voller Zuversicht, einen, der Sie am Ende aufatmen lässt. Weil das Lied uns daran erinnert, dass es eine Wendung gibt zwischen der bangen Frage und der inneren Gewissheit, eine Verwandlung vom „Ist da jemand?“ zum „Da ist jemand!“

 Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder mal die innere Stimme hören, die Ihnen sagt „Da ist jemand!“ 

Ihre Daniela Ballhaus